Offener Brief an PolitikerInnen, Klinik-Mitarbeitende, TherapeutInnen, HausärztInnen, Lehrkräfte, Pharma-Vertreter Verwandte, Freunde und Bekannte

 



Sehr geehrte Damen und Herren PolitikerInnen, Klinik-Mitarbeitende, TherapeutInnen, HausärztInnen, Lehrkräfte und Pharma-Vertreter

Liebe Verwandte, Freunde und Bekannte

Seit vorgestern ist ein Dokumentarfilm aus dem Jahr 2017 über ME/CFS kostenlos auf YouTube verfügbar. Der preisgekrönte Film, an dem wichtige Aktivisten der US-Filmbranche mitgewirkt haben, kann in voller Länge und mit Untertiteln in unzähligen Sprachen hier kostenlos angesehen werden: https://www.youtube.com/watch?v=XOpyLTyVxco. Bitte investieren Sie die Zeit, um sich den Film anzusehen. Er umfasst alle Informationen, die es braucht, um die Krankheit ME/CFS und die daran Erkrankten wirklich zu verstehen.

Alle bisherigen politischen Vorstösse, in der Schweiz Versorgungsstrukturen für von ME/CFS Betroffene aufzubauen, wurden abgeschmettert, weil eine Anerkennung der Krankheit Kosten generiert. SP(!!!)-Politikerin Prisca Birrer-Heimo sagt in einem Artikel auf nau.ch deutsch und deutlich: «Man ist von der Verwaltung immer vorsichtig, verbindliche Aussagen zu machen, weil es grosse Kostenfolgen haben könnte. [...] Es herrscht grosse Sorge, was eine Anerkennung kostenmässig bedeutet. Das geht über die Krankenkasse hinaus; auch die IV müsste dann mehr Renten bezahlen.»

Dabei wird ausser Acht gelassen, dass sich damit die Kosten erstens zur Wirtschaft (lange Krankenstände, Ineffizienz/Fehlerquote, Fachkräftemangel) und zweitens in die Sozialhilfe verschieben. Schon 2017 gab es auch in der Schweiz mehr an ME/CFS als an MS Erkrankte, durch Long Covid, das sich bei einem nicht unerheblichen Teil als ME/CFS chronifiziert, haben sich die Zahlen weltweit bereits fast verdreifacht. In den USA und Australien wird das «Massen-Behinderungs-Ereignis» (siehe Artikel «Washington Post») genannt und die Schätzung zu den volkswirtschaftlichen Schäden gehen jetzt schon in die Milliarden (Australien, siehe Artikel «Sydney Morning Herald») oder gar Billionen (USA).

Meine Appelle an die Adressaten dieser E-Mail

PolitikerInnen: Wägen Sie ab, was die Schweiz teurer kommt: Aussitzen oder handeln. Wenn Sie uns ME/CFS-Betroffenen nicht glauben: Schauen Sie den Film an! Wenn Sie den Film angeschaut haben, können Sie uns dann noch ruhigen Gewissens ohne Geld und medizinische Versorgung zuhause dahinsiechen lassen? Bedenken Sie bitte auch: Wenn Sie unsere Krankheit nicht anerkennen, müssen wir sogar bei Exit.ch für Anerkennung kämpfen und vielen von uns wird selbst ein würdevoller Tod verwehrt.

Pharma-Vertreter und Forschungsanstalten: Bitte wenden Sie sich an Bhupesh Prusty, PD, PhD. (https://www.virologie.uni-wuerzburg.de/virologie/ags-virologie/ag-prusty/), er hat anfangs Mai angekündigt, nach dem Review eine Studie zu einem zuverlässigen Biomarker (laut Leaks ein Protein) zu veröffentlichen. Der Startschuss für die Heilmittelentwicklung ist gefallen. Sind Sie im Siegerfeld mit dabei? Wenn Sie uns ME/CFS-Betroffenen nicht glauben: Schauen Sie den Film an!

Reha-Kliniken und Therapeuten: Schaffen Sie auf ME/CFS im Frühstadium respektive Long Covid zugeschnittene sinnvolle Therapiekonzepte. ME/CFS gehört definitiv nicht in die Psychosomatik. Befassen Sie sich mit Pacing, der Strategie für den Umgang mit der Krankheit, respektive aktuell der einzigen Möglichkeit, den Krankheitsverlauf etwas abzubremsen. Mehr Informationen finden Sie beispielsweise hier. Aktuell gibt es in der Schweiz keinen einzigen vertretbaren Therapieplatz! Wenn Sie uns ME/CFS-Betroffenen nicht glauben: Schauen Sie den Film an!

Ärzte und Spitäler: Damit wir ME/CFS-Betroffenen in Arztpraxen und Spitäler können, wenn wir beispielsweise eine zusätzliche oder akute Gesundheitskrise haben, brauchen wir reiz- und erregerarme Bereiche. Unser Immunsystem ist total zerschossen und viele von uns vertragen weder Tageslicht noch normal laute Stimmen und Geräusche. Schon das Pip-Pip lebenssichernder Geräte kann eine dauerhafte Zustandsverschlechterung auslösen. ME/CFS ist bekannt für mehrere Komorbiditäten, Organschäden, Herz-, Kreislauf- und Atemkrisen sowie Krebs (insbesondere Non-Hodgkin-LymphomenWenn Sie uns ME/CFS-Betroffenen nicht glauben: Schauen Sie den Film an!

WirtschaftsvertreterInnen und Ökonomie-ProfessorInnen: Es wäre sehr hilfreich, wenn Sie die durch Long Covid und ME/CFS verursachten Schäden analog den USA und Australien auch für die Schweiz durchrechnen könnten. Wenn Sie uns ME/CFS-Betroffenen nicht glauben: Schauen Sie den Film an!

Volksschul- und Hochschulvertreter: Je mehr Menschen wissen, was es bedeutet, an der unheilbaren Krankheit ME/CFS zu leiden, umso mehr Verständnis für Schwerkranke, noch mild Betroffene und Prävention entsteht. Sie besitzen hohes Spreader-Potenzial. Schauen Sie mir Ihren Klassen den Film an und empfehlen Sie den Film Ihren Kolleginnen und Kollegen.

Meine Verwandten: ME/CFS taucht gehäuft in Familien und mehrheitlich bei weiblichen Personen auf.  Es sind von kleinen Kindern bis zu Frauen in meinem Alter betroffen. Darum hier ein dringender Appell an meine Tochter, meine Enkeltöchter, meine Schwestern, Cousinen und Nichten: Meidet unbedingt so viele Infektionen wie möglich! Falls ihr denkt, das sei ja nicht so schlimm und die Normalitätssimulation sei euch wichtiger: Schaut den Film, diese Krankheit wollt ihr garantiert nicht.

Freunde und Bekannte: Bitte schaut den Film zusammen mit euren Familien, Freunden und Nachbarn an. Helft mit, diese rasant zunehmende Krankheit bekannter zu machen und bei euren Liebsten das Bewusstsein zu wecken, dass man sich bei einem viralen Infekt nicht selbst zu sehr stressen darf, dass man unbedingt so lange wie möglich alles auskurieren soll, damit sich eine Grippe, eine Gürtelrose oder eine EBV-, RSV- oder Corona-Infektionnicht als ME/CFS chronifiziert und das ganze Leben zerstört.

An die Exit-Leitung: Bitte sorgen Sie dafür, dass bei Ihnen alle Auskunfts- und Betreuungspersonen den Film ansehen und so ME/CFS kennenlernen. Es geht einfach nicht, dass einem auf der Zentralstelle in Zürich dauernd psychischer Quatsch angedichtet wird (ah, das sind doch diejenigen, die sich zuhause isolieren und Angst vor Menschen entwickeln) oder man gar laut und ungemütlich werden muss, um die Unterlagen für den Antrag Freitodhilfe überhaupt zugeschickt zu erhalten. Selbstmord macht rund 20 Prozent aller Todesfälle bei ME/CFS-Betroffenen aus (Rest verteilt sich auf 20,1 %: Herzversagen; 19,4 %: Krebs; 11,1 %: Komplikationen, z. B. Infektionen, Medikamentenunverträglichkeit, Nierenversagen, Ateminsuffizienz). Ermöglichen Sie bitte auch uns ME/CFS-Betroffenen eine würdevollen, sicheren Abgang.

Freundliche Grüsse, Daniela A. Caviglia


Film gleich hier ansehen:

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