Gestern ist kein Post erschienen. Der Grund: Wieder einmal ein Crash. Diesmal ausgelöst durch unnötig verursachten Ärger im geografischen Umfeld, ein Telefonat, bei dem ich mit wütender Stimme zusammengestaucht wurde, weil ich aus meiner momentanen Situation das Beste zu machen versuche, sozusagen ein Rumtrampeln auf mir, da ich schon am Boden liege.
Was ich früher einfach weggesteckt habe, ist jetzt ein
riesiges Problem. Mein Körper ist dauernd im Kampf- und Überlebensmodus, die
Krankheit verursacht multiple Stoffwechsel- und Herzrythmus-Störungen, so dass ich
mich oft zu Tode erschrecke, weil mich jemand unvermittelt anspricht und Ärger
oder Enttäuschung umgehend körperliche Schmerzen auslösen. Starke Bauchkrämpfe,
Hirnschrillen, mehrere Tiniti, Leberschmerzen, Zittern am ganzen Körper sowie nur
schwer zu bewältigende Angst und Wut dominierten die letzten 48 Stunden. Als
ich gestern versuchte, einen Post zu verfassen, überfiel mich rund 10 Minuten
lang eine Kopfschmerzattacke auf der rechten Seite und ich verlor die
Sehfähigkeit auf dem rechten Auge für etwa eine Viertel Stunde. Also schaltete
ich den PC aus und legte mich ins Bett.
Ihr seht, die Daniela, die ihr kanntet, die gibt es jetzt
schon nicht mehr. Widerstandskraft, Stärke, Leistungsfähigkeit, all das hat die
Krankheit bereits komplett aufgefressen. Aus den Tweets meiner #MECFSbubble
weiss ich, dass es anderen Betroffenen genau so geht. Darum möchte ich euch
hier einen Einblick geben, worauf es ankommt, wenn ihr an ME/CFS Erkrankte in
eurem Umfeld habt.
Das deutsche ME/CFS-Portal hat eine Liste mit Tipps im
Umgang mit Erkrankten erstellt. Diese folgt unten, ergänzt mit zwei, drei
Hinweisen von mir.
Sehr wichtig: Kein Krankheitsbild gleicht dem anderen und
die Einteilung in leicht / moderat / schwer / sehr schwer (https://www.me-information.de/schweregrade/mild-erkrankt/)
lässt sich nicht immer auf die Gesamtheit der Symptome anwenden. Bei mir
beispielsweise sind die körperlichen Funktionalitäten noch bei leicht, denn ich
kann mich selber pflegen, mir Essen kochen und es danach auch noch essen, nur
für den Haushalt sowie Treppen steigen reicht es nicht mehr. Kognitiv hingegen
bin ich zwischen schwer erkrankt, denn ich kann keine Bücher mehr lesen,
komplizierten Filmhandlungen nicht mehr folgen, merke nicht mehr, wenn in
meinen Satzstellungen Worte fehlen, kann mir nichts mehr merken und finde mich
vielerorts überhaupt nicht mehr zurecht.
Am einschränkendsten empfinde ich jedoch die
Reizüberempfindlichkeit. Tageslicht und Alltagsgeräusche ertrage ich nicht
mehr, Gerüche nehme ich übertrieben, über mehrere Meter Distanz und lange nach
dem Verschwinden der Geruchsquelle wahr. An sonnigen Tagen kann ich mich nur in
Räumen aufhalten, die vollständig abgedunkelt sind. Ich freue mich über jeden
Regentag, weil ich dann mit Sonnenbrille und Dächlikappe wenigstens kurz in den
Garten raus kann. Sofern die Vögel nicht zu laut singen. Denn auch mein Hörsinn
ist ausser Kontrolle. Hohe Töne oder etwas lautere Geräusche lösen unmittelbar
körperliche Schmerzen aus, vergleichbar mit dem Schmerz einer
Mittelohrentzündung. Leider kann ich mich nicht wie empfohlen mit Kopfhörern
abschirmen, denn die Nervenschädigungen im Gehirn haben bei mir einen Dauerton
im Kopf ausgelöst, wie das Schrillen einer Schulhausglocke. Und dieses nimmt
ein unerträgliches Mass an, wenn ich meine Ohren ganz abschote. Dieser Dauerton
ist nicht zu vergleichen mit einem Tinitus, ein solcher oder mehrere davon
kommen nämlich als Crash-Warnsignale immer wieder hinzu.
Doch fertig mit dem Gejammer. Ich schliesse diesen Post mit
den angekündigten Empfehlungen des ME/CFS-Portals und wünsche euch einen guten
Start in die kurze Arbeitswoche 😊
An
Angehörige von ME/CFS Erkrankten
ME/CFS Erkrankte sind oft intolerant gegenüber Licht,
Geräusche und Duftstoffen. Telefonieren, lesen oder fernsehen ist oft nicht
mehr möglich. Selbst einfache, kurze Gespräche führen zu Überanstrengung. Schwer
und schwerst Betroffene sind nicht mehr in der Lage, sich selbst zu pflegen, zu
sitzen und zu laufen, selbst zu essen und zu trinken. Auch passives Gewaschen
werden kann zu anstrengend sein. In schwersten Fällen ist keine Berührung und
Bewegung mehr möglich.
Um Angehörigen und Pflegepersonen den Umgang mit den
Erkrankten etwas zu erleichtern, hat das ME-CFS Portal folgende Tipps
zusammengefasst (https://www.me-cfs.net/blog/item/170-tipps-fuer-angehoerige-und-pflegepersonen-von-schwer-und-sehr-schwer-me-cfs-betroffenen):
1. Kommunikation
- · Ja/Nein-Fragen stellen
- · Eigenes Kommunikationssystem erstellen – selbst sprechen ist oft zu anstrengend
- · Langsam und nicht zu laut sprechen
- · Berührungen vermeiden
- · Ruhe und Gelassenheit ausstrahlen, Hektik vermeiden – Betroffene sind oft völlig reizüberflutet und nervös
- · Stress, Ärger, unvermitteltes Ansprechen unbedingt vermeiden
2.
Nahrungsaufnahme
- · Babyflaschen und Schnabeltassen nutzen
- · In weniger schweren Fällen Bidons, Schüttelbecher oder Strohhalme
- · Wenn feste Nahrung schwierig wird: Proteinshakes, püriertes Gemüse und Früchte, Joghurt und Lassi, Mandelmus, etc. (Lebensmittelallergien beachten!)
3. Hygiene
- · Reinigungstücher
- · Trockenshampoo
- · Bettpfanne, Inkontinenzslips, Windeln
- · Hygienischer Abfalleimer und eine Schüssel mit Wasser und Seife (unparfümiert) in Reichweite
- · Zahnbürste und Mundspülung auf dem Nachttisch
- · Infektionen aller Art unbedingt vermeiden! Maske tragen, Luftfilter installieren, regelmässig Lüften
- · Bei Lichtempfindlichkeit erst abends im Dunkeln lüften
4. Gerüche
Kompletter Verzicht auf:
- · Deo
- · Parfüm
- · Aftershave
- · Handcreme
- · Haarspray
- · Waschmittel mit Duftstoffen und Weichspüler (stattdessen Essig)
So erspart man den Betroffenen stundenlange Übelkeit,
Schwindel und Lufthunger.
5. Lichtempfindlichkeit
- · Grelles Licht vermeiden
- · Nachtlicht nutzen – ist das zu grell, kann man es mit einem orangen Post-It abkleben.
- · Augen- bzw. Schlafmaske ist ein Muss
6. Geräusche
Unbedingt vermeiden:
- · Klapperndes Geschirr und Besteck – Kunststoffgeschirr und Holzbesteck nutzen oder Besteck in eine Serviette wickeln
- · Geräusch der Kaffeemaschine durch eine Decke abdämpfen
- · Türen und Fenster mit einem Stopper versehen – so lässt sich lautes Zuknallen vermeiden
- · Gehörschutz nutzen, falls möglich, um Alltagsgeräusche (Rasenmähen, Hochzeitsglocken und Grillpartys der Nachbarn) zu vermeiden
- · Unvermitteltes Ansprechen
- · Normale Sprechlautstärke
#mecfsawareness #MECFS #normalitätssimulationsintermezzo
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